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Rassistischer Mord in Leipzig

Vor wenigen Tagen, in der Nacht zum 24. Oktober, wurde Kamal K. in Leipzig ermordet. Zwei Nazis haben den 19-Jährigen vor dem Hauptbahnhof mit einem Messer angegriffen und mehrfach auf ihn eingestochen. Kamal erlag kurze Zeit später im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen. Er ist nunmehr der sechste Mensch, der allein in Leipzig seit 1990 durch nazistisch und rassistisch motivierte Gewalt ums Leben gekommen ist. Dazu gibt es einen ausführlichen Artikel bei Indymedia.
Einer der Neonazis war von 2002, Daniel K. war von 2002 bis 2007 in der Kameradschaft Aachener Land aktiv. Mehr dazu hier und hier.

Mordversuche in Stockholm

Im Vorfeld des diesjährigen Naziaufmarsches in Salem bei Stockholm häufen sich Mordversuche von Neonazis gegen AntifaschistInnen. Am 29. November brannte das Autonome Zentrum „Cyclopen“ in Stockholm völlig aus. Das Feuer sollte anscheinend genau zu dem Zeitpunkt ausbrechen, an dem dort eine Veranstaltung der Gruppe „Netzwerk gegen Rassismus“ stattfinden sollte. Diese wurde durch einen glücklichen Zufall ein paar Tage vorher abgesagt, jedoch immer noch im Internet beworben. So wird die Brandstiftung inzwischen als „Brandstiftung mit Tötungsabsicht“ gewertet. Die BetreiberInnen des Cyclopen haben keine Zweifel daran, dass Neonazis das Feuer legten. So wurde das Zentrum immer wieder im Vorfeld der Salem-Märsche bedroht. Richtig erkannt haben die FaschistInnen, dass linke Freiräume, Autonome Zentren ein zuverlässiger Garant für funktionierende antifaschistische Arbeit sind.
Am 1. November brach in der Wohnung von zwei SyndikalistInnen, die dort mit ihrem dreijährigen Kind wohnten, Feuer aus. „Ich sah, wie jemand eine klare Flüssigkeit durch den Briefschlitz in unsere Wohnung goss. Am Geruch erkannte ich, dass es Benzin war. Ich schrie so laut ich konnte: ‚Wir haben ein Kind hier drinnen!‘ Es war unmöglich, dass sie das nicht hörten. Eine Sekunde später zündeten sie das Benzin an“, so die betroffene Gewerkschafterin. Alle drei überlebten, das Kind konnte über einen Balkon NachbarInnen gereicht werden, die beiden GewerkschafterInnen kletterten aus dem dritten Stock des Hauses. Die Polizei geht indes von einem politisch motivierten Anschlag aus, zudem wird vermutet, dass dieser Mordversuch die gleichen Urheber hat, wie der Brandanschlag auf das Kulturzentrum Cyklopen.
Ein halbes Jahr zuvor fanden besagte GewerkschafterInnen, wie viele andere, ihre Namen und Bilder auf einer von Neonazis angelegten „Schwarzen Liste“. Diese wurde von der NS-Gruppe angefertigt, die den Salemmarsch organisiert.

„Heldengedenken“ in Salem und deutsche Reaktionen
In Salem findet jährlich der größte Naziaufmarsch Nordeuropas statt, seitdem dort im Jahr 2000 ein junger Neonazi in einer Auseinandersetzung mit MigrantInnen starb. Umgehend wurde der junge Neonazi zum Märtyrer stilisiert, sein Tod bestärkte die schwedische NS-Szene in ihrem Opferkult. Durch dieses ritualisierte Gedenken soll ein gemeinsames Selbstbild geschaffen werden, als Kämpfer, als standhaft, opferbereit und unbeugbar. Der Opferkult der extremen Rechten rechtfertigt als fundamentaler Bestandteil einer jeden faschistischen Ideologie den Kampf gegen GegnerInnen oder vermeintliche GegnerInnen, rechtfertigt jedes Mittel in diesem Kampf, bis hin zu Mord und Vernichtung. Wohin dieses Zusammenspiel aus Opferkult, Märtyrertum und Heldenmythos führt, zeigen uns die Geschehnisse in Stockholm dieser Tage. Politischer Mord gehört seit jeher zum Repertoire faschistischer Ideologie, ebenso wie zynischer Vernichtungswahn. So feierten deutsche Neonazis die Anschläge in Schweden, bedauerten allerdings, dass dabei keine Menschen zu Tode kamen. „Keine geschmolzenen Zecken? Schade!“ ist nur einer der menschenverachtenden Kommentare nachahmungsfreudiger deutscher Nazis: „Advent, Advent, ein linkes Zentrum brennt. Erst eins, dann zwei,…“. Politischer Mord wird eindeutig befürwortet: „Nicht schießen, lasst sie verbrennen!“, so ein User eines Naziforums. Ganz besonders wird sich über die Vernichtung der Infrastruktur gefreut. Dass im Cyclopen Archive, Bibliotheken und Equipment von Bands dem Brand zum Opfer fielen, wird kommentiert mit „Das fetzt! :)“ und „Einfach nur Geil …..;-))))“, mit „Burn Motherfucker… BURN!“.

Märtyrerkult in Stolberg
Auch in Stolberg bei Aachen versuchen extrem Rechte aus einem Todesfall ein Politikum zu machen. Sie stilisieren einen getöteten jungen Mann zu ihrem Helden, marschierten dieses Jahr diesbezüglich gleich zweimal auf und kündigten bis 2018 jährliche Demonstrationen an. Auch im April 2009 wird Stolberg wieder zum Wallfahrtsort für Neonazis – wenn sich kein breiter Widerstand regt. Die Strategie Aachener Nazis, den proklamierten „Kampf um die Straße“ zu forcieren, ist wohl am ehesten als logische Konsequenz des neu gewonnenen Wir-Gefühls deutbar. Seit den Ereignissen in Stolberg ist ein verstärktes Bemühen der Aachener Neonazi-Szene zu beobachten, in die Öffentlichkeit zu treten, die Straßen als ihre zu proklamieren und gewalttätig gegen ihre GegnerInnen vorzugehen. Erst vor einigen Tagen stellte die Kameradschaft Aachener Land Formulare online, auf denen AntifaschistInnen mit Namen und Fotos zu melden sind. Zudem werden hochauflösende Fotos von antifaschistischen Demonstrationen ins Internet gestellt. Jeder Selbstschutz vor der Erfassung auf „Schwarzen Listen“ wird von der deutschen Justiz als „Vermummung“ strafrechtlich verfolgt.

Faschismus bleibt tödlich
Dass aber „Schwarze Listen“ kein Kinderspiel sind, dass eine Auseinandersetzung mit Neofaschismus tödliche Folgen haben kann, dass Menschen, die sich gegen reaktionäre, faschistische Tendenzen zur Wehr setzen, sich einer massiven Gefährdung aussetzen, ist schmerzlich in Schweden deutlich geworden.

Eine Sprecherin des AK Antifa Aachen kommentiert „Wir werden uns nicht von der Gewalt der FaschistInnen, von ihren Drohungen einschüchtern lassen. Wir senden unsere solidarischen Grüße nach Stockholm und werden, wie die antifaschistischen AktivistInnen dort, auch hier nicht zulassen, dass sich faschistische Strukturen etablieren. Wir werden dem Märtyrerkult in Stolberg entschlossen entgegentreten“.

Unzweifelhaft bleibt, dass dieses Phänomen der Bereitschaft zum Mord, keines ist, das sich nur virtuell ausdrückt. So wurde erst letzte Wochen in Göttingen ein ganzes Waffenarsenal bei Neonazis sichergestellt. Eine Maschinenpistole, ein Repetiergewehr mit Zielfernrohr und Schalldämpfer, eine doppelläufige Schrotflinte, passende Munition, sowie mehrere Messer und Bajonette – so lauten die Ergebnisse der dortigen Hausdurchsuchung.

Und Aachen?
Das Bemühen um Schwarze Listen und das verstärkte Auftreten von Neonazis in der Aachener Innenstadt wird flankiert von den Versuchen, Aufmärsche in der Aachener Innenstadt durchzuführen. Am Vorabend der Gedenken an die Novemberpogrome gelang es Neonazis lediglich, ein Standkundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz abzuhalten. Für den 24. 12. wird erneut der Aufmarsch probiert. So meldeten Nazis unter dem Motto „Da habt ihr die Bescherung“ erneut eine Demonstration an.

Wir rufen dazu auf, am 24.12.2008 um 9h am Aachener Hauptbahnhof zu sein und dort zu bleiben, bis den Nazis dadurch die Anreise verunmöglicht worden ist.