Von Rechts zu Rot ?

Antifaschistische Einschätzungen zur „Roten Jugend Aachen“

Ende März 2021 tauchte auf Instagram eine neue Gruppe auf, die sich selber „Rote Jugend Aachen“ nennt. In ihrem Auftakt-Post beschreiben sie ihre Ideologie als marxistisch/leninistisch/maoistisch und wettern gegen das Autonome Zentrum (AZ) Aachen. Sie prangern an, dass Begriffe wie „Volk“ wohl in der Aachener linken Szene an Wert verloren hätten. Bei genauerer Betrachtung der neu gegründeten Gruppe fallen ein paar Parallelen zu Personen auf, die wir aus rechten Kontexten in Aachen kennen. Unsere Informationen, Indizien und unsere daraus abgeleiteten Annahmen möchten wir weiterverbreiten, vor allem auch an linke Strukturen in NRW. Auf den Fotos der „Roten Jugend Aachen“ sind wahrscheinlich Personen aus der zeitweise sehr aktiven Neonaziszene in Aachen um das „Syndikat 52“ zu sehen. Gleiche Vermutungen gab es schon 2020 mit der Instagramseite „Patriotische Jugend Aachen“.

In den letzten Jahren gab es in Aachen eine sehr aktive Neonazi-Clique, in der die gut bekannten Neonazis N. S. und K. H. aktiv waren. Die beiden wurden anfangs vom, in der extrem rechten Szene gut vernetzten „Drogennazi“ Timm Malcoci, rekrutiert. Malcoci ist seit Jahren Kader der organisierten Naziszene in NRW. Er war bei der mittlerweile verbotenen „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL) in einer hohen Position aktiv und auch bei der Gründung der Nachfolgeorganisation „Syndikat 52“ beteiligt.

N. S. tauchte das erste mal im Jahre 2017 vor dem AZ Aachen auf und bedrohte dort Menschen mit einem Messer. In den nächsten Jahren bildete sich eine Gruppe aus ca. 6 Jugendlichen, welche angestachelt von Timm Malcoci vermeintliche Antifaschist*innen und politische Gegner*innen angreifen sollten. Sie waren in den Jahren 2017 bis 2021 für nahezu alle Naziangriffe auf Antifaschist*innen in Aachen verantwortlich. Sie trafen sich meist abends in einer Kleingruppe, um gemeinsam Menschen, die das AZ Aachen besuchten abzufangen, sie zu verfolgen und anzugreifen. Beispielsweise gingen sie am 01.09.2019 soweit, einer Person von hinten mit einem Teleskopschlagstock auf den Kopf zu schlagen.

Immer wieder lauerten sie Menschen auf, provozierten oder griffen diese an und flüchteten danach zu den Bullen. K. H. wirkte dabei wie ein junger Hooligan, der nur Lust auf Gewalt hat und N. S. trat als eine Art Anheizer auf. N. S. war in den Jahren 2018 und 2019 auch auf zahlreichen Veranstaltungen der extremen Rechten anzutreffen, wie z.B. zahlreichen Ursula Haverbeck Demos oder einer „Syndikat 52“ internen Paddeltour, an der u.A. auch Rene Laube teilnahm (vgl. Antifaschistische Recherche Aachen Sommer 2019).

Bild 1: N. S. mit Messer und Pfefferspray beim Angriff am 08. März 2020, gekleidet ist er in Thor Steinar.

Zur Internetbekanntheit wurden N. und K. als sie am Frauen*kampftag 2020 am Rande der feministischen Demonstration in Aachen, Menschen mit einem Messer und Quartzsandhandschuhen angriffen (vgl. Bild 1).

Diese konnten den Angriff jedoch vereiteln (vgl. https://akantifaac.noblogs.org/post/2020/03/10/stellungnahme-des-aachener-buendnis-fuer-ein-ende-der-gewalt-zur-demo-am-frauenkampftag-und-den-angriffen-von-nazis-auf-demoteilnehmerinnen-im-vorfeld/).

Nach den Vorfällen um die Frauen*kampftags-Demonstration 2020 wurde es erst mal ruhiger um die Neonazi-Clique.

Auf Instagram tauchte 2020 die Seite „Patriotische Jugend Aachen“ auf. Dort wurden primitive Inhalte, wie Nazischmierereien oder Nazis in Pose mit Boxhandschuhen geteilt. Wie in Bild 2 (Screenshot der Intagramseite) erkennbar, posiert einer der „Patrioten“ mit einem Sticker, auf dem „Antikom Area – Fight Commies – Freiheit statt Sozialismus“ steht. Bei diesem Bild hatten wir direkt die Vermutung N. S. zu sehen (vgl. Bild 1), der die Instagramseite vermutlich auch betrieben hat.

Bild 2: Vermutlich N. S. mit „Antikom Area“ Sticker auf Instagram

Zu Beginn des Jahres 2021 bekamen dann verschiedene linke Gruppen in Aachen über Social- Media Kanäle Nachrichten von N. S. und K. H., in denen sie behaupteten ausgestiegen zu sein und man sie doch bitte nicht mehr belästigen solle, wenn man sie auf der Straße trifft. N. wollte seinen „Pseudo-Ausstieg“ zudem mit einem Foto unterstreichen, dass er mitschickte. Auf diesem trägt er ein Shirt des Rappers „Taktikka“, ein Berliner Rapper mit starken Bezügen zur maoistischen Sekte „Jugendwiderstand“. „Taktikka“ sowie der „Jugendwiderstand“ pflegen seit geraumer Zeit Kontakte zu organisierten Neonazis. (http://www.friedensdemowatch.com/2018/12/06/die-kameradschaft-jugendwiderstand-und-die-neonazis-die-maoistische-gruppe-aus-berlin-auf-extrem-rechten-wegen/) Der „Jugendwiderstand“ nimmt ehemalige NPD-Mitglieder ohne glaubhaften Ausstiegsprozess in ihre Reihen auf und unterält Verbindungen ins extrem rechte Kampfsport und Hooligan-Milieu. Zusätzlich vertritt die Gruppe ein martialisches Männlichkeitsideal, einen nationalen bis völkischen, autoritären Kommunismus sowie anti-zionistische und Israel-feindliche bis zu antisemitische Positionen. Alles Punkte die sich für Neonazis durchaus reizvoll darstellen. (https://www.antifa-berlin.info/news/1546-von-der-npd-zum-jugendwiderstand-ist-es-nur-ein-kurzer-weg).

In N.s Nachrichten findet sich keine Spur von Reue oder Reflexion. Vielmehr stellt er sich als Opfer von „gewaltbereiten Linken“ dar und spielt den Konflikt als persönliche Auseinandersetzung herunter. Er sei nie überzeugter Nazi gewesen, sondern höchstens fehlgeleiteter Mitläufer. Ein starkes Stück für jemanden, der im zarten Alter von 15 Jahren, vermeintliche Antifaschist*innen mit einem Messer attackiert und daraufhin mehrere offizielle und inoffizielle Veranstaltungen von „Syndikat 52“ besucht. Hinzu kommt, dass N. S. Mitte März 2021, also nach seinen Nachrichten noch einmal versuchte zwei vermeintliche Antifaschist*innen mit einer Eisenstange anzugreifen.

Für uns ist klar, dass so kein glaubwürdiger Ausstieg aus der organisierten militanten Naziszene aussieht. N. und K. haben keinen Ausstieg vollzogen, sie zeigen keine Reue für ihre Taten, reflektieren ihre Neonaziaktivitäten nicht. Zudem fehlt auch die Preisgabe von Informationen über die Naziszene, um sich so den Rückweg in organisierte Nazistrukturen zu verbauen, für einen glaubwürdigen Ausstieg.

Wie kommen wir nun zu dem Schluss, dass es sich bei der Gruppe „Rote Jugend Aachen“ vermutlich um die Naziclique rund um N. S. und K. H. handelt?

Bild 3: Rechts vermutlich K. H. bei der „Roten Jugend Aachen“ bei Instagram

Dafür ausschlaggebend sind sowohl die bisher veröffentlichten Statements als auch Bildvergleiche. Für die Bildvergleiche haben wir Bilder von der Instagramseite „Rote Jugend Aachen“, der Instagramseite „Patriotische Jugend Aachen“ und Recherche Bilder von K. H. und N. S. angehängt. Vor allem K. H. lässt sich unserer Meinung nach in Bild 3 rechts trotz Verpixelung sehr gut erkennen. In Bild 4 ist N. S. sehr gut zu erkennen, wo auch der Bezug zu „Taktikka“ aus seinen Nachrichten deutlich wird. Eine weitere Vergleichsmöglichkeit sehen wir in den Nachrichten, die K. H. und N. S. zu Beginn des Jahres verschickten. Sowohl Tonfall, als auch Thematik ähneln stark der Gründungserklärung der „Roten Jugend Aachen“ auf Instagram (vgl. Bild 6). Auch der Hass auf autonome/anarchistische Strukturen, vor allem das AZ Aachen passt ins Bild. Der letzte Satz der Erklärung der „Roten Jugend Aachen“ ist quasi identisch mit einem Teil von N.s Nachricht, in dem er beteuert nie aus politischen Gründen Gewalt ausgeübt zu haben, sich im Falle eines Angriffs aber in jedem Fall verteidigen werde. Ebenfalls interessant ist, dass die „Rote Jugend Aachen“ sich bereit erklärt „Jugendliche aus rechten Dunstkreisen umzubilden“. Es scheint als würden sie sich einen Vorwand suchen, um weiterhin gegen Linke, die ihnen nicht passen zu agieren, ohne in der breiten Öffentlichkeit als Nazis dazustehen.

Bild 4: Vermutlich N. S. bei der „Roten Jugend Aachen“ auf Instagram.

Ob es sich bei dieser Inszenierung um einen schlechten Scherz, eine Täuschung oder einfach um eine neue Legitimation für Gewalt gegen politische Gegner*innen handelt bleibt unklar. Wir gehen davon aus, dass N. S. und K. H., sowie eventuell weitere Neonazis, hinter dem Projekt „Rote Jugend Aachen“ stehen und raten deswegen jedweden Strukturen und Personen klar davon ab mit der Gruppe zu interagieren, geschweige denn zusammen zu arbeiten. Auch wollen wir noch einmal klar stellen, dass die Gerüchte über den Ausstieg der beiden keinerlei Basis haben. Verbreitet diesen Text und haltet die Augen auf!

Bild 5: Links K. H., mitte N. S.. Zu Karneval in „SA-Braunhemden“ posierend zum Todestag Horst Wessels.

Bild 6: Beschreibung der „Roten Jugend Aachen“ auf Instagram.