Nachdem einer ersten Versammlungsanmeldung für den 11.04.20 vom Ordnungsamt nicht stattgegeben wurde, fand heute eine Kundgebung unter dem Motto „Das Sterben an den Grenzen stoppen!“ auf dem Aachener Markt statt. Unter Corona-bedingten Auflagen, wie Mund- und Nasenschutz und Abstand zwischen den Teilnehmenden, kamen um die 50 Menschen zusammen, um für ein Ende der mörderischen Abschottungspolitik der EU und die Evakuierung aller Lager für Geflüchtete zu demonstrieren. Die Pressemitteilung des Bürger*innen-Asyl Aachen findet ihr hier: Pressemitteilung
Auch wir haben uns mit einem Redebeitrag beteiligt, hier noch einmal zum Nachlesen dokumentiert:
Während die Corona-Krise die Welt weiterhin in Atem hält, geht der Krieg in Syrien weiter. Nach dem der sogenannte „Islamische Staat“, unter maßgeblicher Beteiligung der „Demokratischen Kräfte Syriens“ (SDF), Ende 2018 beinahe besiegt wurde, startete der türkische Staat im März 2018 eine Militäroffensive gegen die „Demokratische Konföderation Nord/Ostsyrien“.
Der Angriff wurde größtenteils von islamistischen Milizen der „Freien Syrischen Armee“ getragen die dabei von der türkischer Luftwaffe und Artillerie unterstützt wurden. Nach der Einnahme der Region Afrin durch diese türkische Proxy-Armee wurde die Verwaltung an die islamistischen Milizen übertragen. Aufgrund von Plünderungen, Vertreibung und Vergewaltigung durch die Besatzer flohen hundert Tausende Menschen in die verbliebenen zwei Kantone der kurdischen Selbstverwaltung Cizire und Kobane. Die Türkei begann von da an arabische Familien aus Geflüchteten-Lagern auf türkischem Gebiet und Angehörige der islamistischen Kämpfer in Afrin anzusiedeln. Etliche Familien, die vor den Kriegswirren in Syrien geflohen waren und einen sicheren Platz in den selbstverwalteten Gebieten gefunden hatten, wurden erneut vertrieben.
Begleitet wurde die Offensive von einer beispiellosen Repressionswelle in der Türkei, die bis heute anhält. Kriegsgegner*innen, Journalist*innen und Revolutionär*innen werden zu tausenden inhaftiert. Linke und kurdische Bürgermeister*innen werden abgesetzt und durch linientreue Gouverneure ausgewechselt. Ganze Stadtviertel im kurdischen Teil der Türkei werden von Artillerie unter Beschuss genommen.
Obwohl diese und alle weiteren Offensiven der Türkei als völkerrechtswidrig gewertet werden blieben Interventionen seitens der internationalen Gemeinschaft, gegen diese aggressive Expansionspolitik der Türkei, aus. Vonseiten der EU wohl um den Flüchtlingsdeal mit Erdogan nicht zu gefährden und um den Geschäfts- und NATO-Partner Türkei nicht zu gefährden.
Kriegstüchtig gemacht wird die türkische Armee von deutschen Rüstungsunternehmen. Mit Panzern von Krauss-Maffei-Wegmann, Geländefahrzeugen von Mercedes-Benz und zukünftig mit Strom aus Kraftwerken von Siemens begann der Überfall auf eines der wenigen revolutionären Projekte der heutigen Zeit.
Im Oktober 2019 startete der zweite türkische Angriff entlang der syrisch/türkischen Grenze. Nach wochenlangen Gefechten zwischen den Selbstverteidigungseinheiten der SDF und der türkischen Proxy-Armee bestand die Hilfe der „internationalen Koalition gegen den IS“, deren Bodentruppen quasi ausschließlich von den SDF gestellt wurden, darin einen 30 Kilometer breiten Sicherheitsstreifen unter türkischer Kontrolle zu genehmigen. Und das wieder auf vormals von der Konföderation verwalteten syrischem Staatsgebiet.
Nun scheint die Türkei eine weitere Offensive vorzubereiten. Hinter den Frontlinien zwischen Afrin und dem sogenannten Sicherheitskorridor werden Truppen zusammengezogen. Auch in dem seit 2004 von der kurdischen Guerilla kontrollierten Kandil-Gebirge versucht Erdogan einen inner-kurdischen Konflikt zwischen der Regierung im autonomen kurdischen Gebiet im Irak und der PKK zu provozieren. Um, so die naheliegende Vermutung, im Anschluss mit seiner Armee zu intervenieren.
Erdogan versucht mit dem Krieg offensichtlich seine geschwächte politische Position im Inneren zu retten und den Rest der türkischen Opposition auszuschalten. Außerdem scheint ihm die gewachsene Stärke der kurdischen Bewegung ob im Süden der Türkei oder in Rojava zunehmend in Bedrängnis zu bringen. Er will diesen Hoffnungsschimmer für eine neue Gesellschaftsordnung basierend auf Selbstverwaltung, Geschlechtergerechtigkeit und Ökologie ersticken und mit Krieg und Assimilation der kurdischen Frage endgültig ein Ende zu bereiten.
Schlussendlich missbrauchte Erdogan die circa 3.6 Millionen Geflüchteten, die wegen des EU-Türkei-Deals in seinem Land festgehalten wurden und öffnete die Grenzen zu Bulgarien und Griechenland um mehr Geld von der Union zu erpressen. Diese lässt sich weiter benutzen und bleibt bei ihrer menschenverachtenden Abschottungspolitik. Anstatt Menschen in Not Schutz zu gewähren, wird Griechenland als Schild Europas beschworen und bis heute sitzen tausende Menschen, trotz der Gefahr durch das Covid-19 Virus, in griechischen Lagern unter prekärsten Bedingungen fest. Während die Türkei drauf und dran ist weitere Menschen aus ihrem zu Hause zu vertreiben.
Die von kurdischen, arabischen, assyrischen, armensichen und weiteren Bevölkerungsgruppen getragene Selbstorganisation in Nord/Ostsyrien bietet momentan die einzig ernstzunehmende Hoffnung auf eine friedlichere Zukunft im Nahen Osten. Abseits von kapitalistischen und geostrategischen Interessen. Die Fortschritte hinzu einer Befreiung des kurdischen Volkes und einer auf Solidarität fußenden Gesellschaft gilt es um jeden Preis zu verteidigen.
In Solidarität mit dem freien Rojava!
In Solidarität mit den Aufständischen im Irak, im Iran, im Libanon und in Chile!
In Solidarität mit allen Geflüchteten weltweit!
Die Gefallenen sind unsterblich – Sehid Namirin!