In letzter Zeit wurde viel von rechten Übergriffen in Aachen und Umgebung berichtet. Die Gewalt hält an, auch in den letzten drei Wochen gab es zahlreiche Übergriffe von rechts auf vermeintliche GegnerInnen. So wird von mind. zwei Attacken auf Linke in der Pontstraße berichtet, daneben von einem unvermittelten Angriff auf ‚alternativ’ aussehende Menschen in Mitten der Stadt durch vier Neonazis. Auch am Autonomen Zentrum Aachen tummelten sich erneut sechs Neonazis, wurden aber in ihrer verzweifelten Suche nach AntifaschistInnen nicht so recht fündig. Nach einer antifaschistischen Informationsveranstaltung in der Pontstraße griffen zudem ‚autonome’ NationalistInnen in der darauf folgenden Nacht einen jungen Mann körperlich an.
Unterdessen wurden – ebenfalls in der Aachener Innenstadt – Plakate gesichtet, die auf ProtagonistInnen der örtlichen NS-Szene aufmerksam machen.
In den letzten Tagen lasen wir immer wieder von gewaltsamen Angriffen durch Neonazis. Sei es in Stockholm, dort fanden im Vorfeld des Salemmarsches mehrere Mordversuche durch FaschistInnen statt, das Autonome Zentrum Cyclopen wurde niedergebrannt, eine Wohnung von SyndiaklistInnen ebenso. Oder sei es in Passau: Dort wurde der örtliche Polizeichef von Neonazis durch einen Angriff mit einem Messer schwer verletzt.
Die bundesdeutsche administrative Öffentlichkeit erkennt zumindest wieder punktuell die Gefahr, die von faschistischer Gewalt ausgeht oder lässt es zumindest verlautbaren. Nicht so in Aachen:
‚Aktive Ignoranz’ lautet das Stichwort unter dem das Aachener Bündnis gegen Rechts unter Federführung von Oberbürgermeister Jürgen Linden beschlossen hat, nicht aktiv gegen einen Neonaziaufmarsch in Aachen am 24.12.2008 zu werden.
Axel Reitz ruft unter dem Motto „Da habt ihr die Bescherung! Meinungs- und Demonstrationsfreiheit ist kein Geschenk, sondern unser Recht!“ zu einem Aufmarsch auf, in Reaktion auf die behördliche Verhinderung einer Nazidemonstration am 8. November, am Vortag der Pogromnacht. Dass sich Neonazis als VerteidigerInnen von Meinungsfreiheit und Demonstrationsfreiheit generieren, ist so absurd wie üblich. In jedem faschistischen Regime wurden diese erkämpften Rechte mit als erstes abgeschafft, ihre VerteidigerInnen ermordet. Die Eigenkonstruktion der extremen Rechten als Verteidigerin dieser Rechte reiht sich nahtlos in den Opferkult von rechts ein, Opfer zu sein ist in diesen Kreisen sehr beliebt.
Mit Verwunderung nehmen wir zur Kenntnis, dass von Kirchen, DGB und Parteien statt Engagement Schweigen, anstatt Intervention Ignoranz empfohlen wird.
„Stell´ dir vor, die Nazis sind in der Stadt – und keiner hält sich daran auf“ titeln die Aachener Nachrichten dieses Vorgehen und treffen damit den Nagel auf den Kopf. Fragen wir uns, was geschieht, wenn Nazis aufmarschieren, aktiv werden, in die Öffentlichkeit treten, faschistische Ideologie vertreten, Menschenverachtung und –vernichtung propagieren und kein Mensch sich daran aufhält. Kurt Tucholsky beschrieb dieses Beschweigen faschistischer Gefahr, die Weigerung aktiv zu werden 1931 in dem Gedicht „Rosen auf den Weg gestreut“. Treffend und zeitlos ironisiert Tucholsky: „Wenn sie in ihren Sälen hetzen, sagt: ‚Ja und Amen – aber gern! Hier habt ihr mich – schlagt mich in Fetzen!’ Und prügeln sie, so lobt den Herrn“.
Wer aus der deutschen Geschichte gelernt hat, dass Ignoranz und Schweigen ein geeignetes Mittel gegen faschistische Organisierung ist, der hat die Geschichtsbücher nicht gelesen.
Man werde sich durch den Aufmarsch nicht provozieren lassen, so heißt es aus den Reihen des so genannten Bündnis gegen Rechts. Wer sich aber nicht von einem öffentlichen Auftreten von notorischen HolocaustleugnerInnen, von ProtagonistInnen der extremen Rechten provozieren lässt, verkennt die Gefahr oder nimmt sie schlicht in Kauf. Eine Sprecherin des Ak Antifa Aachen dazu: „Ignoranz ist schlimm genug, das Propagieren der Ignoranz ebnet FaschistInnen aktiv den Weg. Wir werden uns an diesem Tag den FaschistInnen in den Weg stellen. Wir rufen dazu auf, am 24.12.2008 um 9h am Aachener Hauptbahnhof zu sein und dort zu bleiben, bis die Anreise der Nazis dadurch verhindert worden ist“. Das Antifaschistische Aktionsbündnis Aachen hat unterdessen eine Kundgebung am Bahnhofsvorplatz angemeldet, die – wie schon am 8.11.2008 – in die Hackländerstraße verlegt wurde.