Redebeitrag 11.07.20: „Racial Profiling“

Dieser Text wurde als Redebeitrag auf der „Entnazifizierung jetzt! – Extrem rechte Netzwerke in der Aachener Polizei aufdecken!-Demo am 11. Juli in Aachen gehalten:

Vor wenigen Tagen hat Bundesinnenminister Horst Seehofer beschlossen, dass eine Studie zu institutionellem Rassismus in der Polizei nicht nötig sei. Seiner Argumentation nach seien rassistische Kontrollen seitens der Beamt*innen bereits gesetzlich untersagt. Was nicht sein darf, kann bekanntlich auch nicht sein, eine Untersuchung wäre da doch überflüssig.

Die Erfahrungen von Betroffenen zeichnen dagegen ein anderes Bild: Sie berichten ganz klar von häufigen rassistischen Diskriminierungen durch die Polizei. Insbesondere das sogenannte ‚Racial Profiling‘ ist für viele schwarze Menschen und People of Color allgegenwärtig.

‚Racial Profiling‘ bezeichnet die öffentliche und offensichtliche Kontrolle von Menschen nach rassistischen Kriterien, nämlich nach Aussehen, Sprache, und einer dadurch unterstellten Herkunft. Im Klartext: Kontrollen werden nicht aufgrund des Verhaltens von Menschen oder konkreter Verdachtsmomente durchgeführt, sondern Menschen, welche entlang rassistischer Kategorisierungen nicht als ,deutsch‘ wahrgenommen werden, werden kontrolliert und durchsucht.

Dieses Vorgehen ist so zwar in Deutschland verboten, aber trotzdem gängige Praxis. Erlaubt sind außerdem sogenannte „anlasslose Kontrollen“, unter anderem durch die Bundespolizei zur „Verhinderung der unerlaubten Einreise“. Laut einem Artikel der taz1 fanden allein im Jahr 2018 253.546 solcher Kontrollen statt. Das OVG Koblenz hat 2016 bei der Prüfung einer Zug-Kontrolle festgestellt, dass anlasslose Kontrollen in Zügen fast nie unerlaubte Einreisen zu Tage bringen. Stattdessen sorgen sie dafür, dass schwarze Menschen und PoC an bestimmten Orten immer damit rechnen müssen, kontrolliert und gedemütigt zu werden. Auch der Aachener Hauptbahnhof mit der Dienststelle der Bundespolizei ist ein Hotspot dieser rassistischen Polizeipraxis.

Im schlimmsten Fall endet ‚Racial Profiling‘ tödlich. Korpsgeist bei der Polizei, voreingenommene Gerichte, fehlende unabhängige Kontroll- und Untersuchungsinstanzen und auch mangelnde Solidarisierung von Beobachter*innen machen es Betroffenen schwer, sich zu wehren.

Wir fordern daher die Abschaffung der anlasslosen Kontrollen durch die Polizei und die konsequente Umsetzung des Verbots von ‚Racial Profiling‘!

Seehofers Argumentation, ‚Racial profiling‘ könne es nicht geben, weil es verboten sei, ist einfach lächerlich. Tausend Dinge sind in Deutschland verboten und passieren trotzdem jeden Tag.

Rassistische Denkmuster sind in der Gesellschaft seit Jahrhunderten verankert und beeinflussen bewusst oder unbewusst unser Handeln. Hiervon sind auch Polizist*innen nicht ausgenommen.

Doch nicht nur das – vielmehr scheinen sich gerade in der Polizei auch überzeugte Rassist*innen zu sammeln. Immer wieder werden Fälle von extrem rechten und rassistischen Polizist*innen bekannt, sei es durch Nachrichten in WhatsApp-Gruppen oder die rassistischen Drohbriefe des sogenannten NSU 2.0 an eine Frankfurter Anwältin. Dies sind nur zwei Beispiele von vielen.

Nur eine ehrliche und langfristige Auseinandersetzung und im Falle der Polizei tiefgreifende strukturelle Veränderungen könnten das ändern. Doch genau das will Seehofer offensichtlich verhindern.

Als Weiße haben wir das Privileg, die Augen vor rassistischen Übergriffen verschließen zu können, weil wir nicht direkt davon betroffen sind. Aber wir müssen nicht passiv bleiben. Wir können uns zumindest in manchen Situationen auch bewusst dagegen entscheiden, dieses Privileg zu nutzen. Wir können eingreifen, wenn wir ‚Racial Profiling‘ mitbekommen und uns solidarisch hinter die Betroffenen stellen.

Sie sind es, die ernst genommen werden müssen und denen zugehört werden muss – nicht ein weißer rassistischer Bundesinnenminister!

1https://taz.de/Gesetze-zu-Racial-Profiling-der-Polizei/!5698417/