In ganz Deutschland gab es in den vergangenen Wochen Proteste gegen die Corona Maßnahmen, die von der Regierung ergriffen wurden, um die Ausbreitung der Pandemie einzuschränken und das Gesundheitssystem zu entlasten. Die Demonstrationen und Kundgebungen waren unerwartet groß, die Auflagen der Stadt und der Polizei wurden dabei kollektiv missachtet, Abstandsregeln, begrenzte Teilnehmer*innenzahl und Bedeckung des Mund- und Nasenbereiches wurden meist nicht eingehalten. Dieses Hinwegsetzen über die Einschränkungen und die vorangegangene Aussetzung des Versammlungsrechts ist per se nichts schlechtes, denn diese Maßnahmen einfach hinzunehmen wäre der falsche Weg und Kritik an diesen ist mehr als angebracht. Jedoch ist auch Vorsicht angemessen, um die ungehinderte Ausbreitung der Covid-19 Erkrankung zu verhindern. Im Rahmen der Proteste, die in nahezu allen Bundesländern stattfanden, gab es viele merkwürdige und auch besorgniserregende Bilder. Menschen mit Aluhüten und -bommeln, die neben bekannten Rechtsextremen oder AfD-Politiker*innen und C-Promis, wie Ken Jebsen oder Xavier Naidoo auf die Straße gingen. Viele Aussagen von Teilnehmer*innen, Unterstützenden oder Redner*innen beinhalteten antisemitische Ressentiments, verschwörungstheoretische Positionen und eindeutigen Rassismus.
Diese Protestwelle breitete sich sogar bis nach Aachen aus.
Am 16.05.2020 fanden hier mehrere Proteste zu den „Corona Maßnahmen“ statt. Neben Menschen, die auf dem Katschhof für die Einhaltung des Grundgesetzes meditierten, veranstaltete die AfD eine Kundgebung auf dem Hauptbahnhofsvorplatz. Eine weitere Kundgebung wurde von Walter Schuhmacher am Willy-Brandt-Platz angemeldet, diese richtete sich gegen die Einschränkungen der Bürgerrechte und eineangeblich anstehende Impfpflicht.
Als Antwort auf die geplanten Kundgebungen von „Corona Rebellen“ und Anhänger*innen, sowie der AfD fanden sich am Elisenbrunnen, vor dem Theater und gegenüber vom Hauptbahnhof bis zu 300 Menschen zusammen, um ein Zeichen gegen Verschwörungstheorien, Rechte Ideologien und die Vereinnahmung der Kritik an den Corona Maßnahmen zu setzen.
Statt der angekündigten 500 Teilnehmer*innen beteiligten sich lediglich 90 Personen an der Kundgebung der AfD. Neben dem Ratsherrn, Markus Mohr, redete auch der Bundestagsabgeordnete und Landeschef Rüdiger Lucassen. Des weiteren waren auf der Kundgebung Sascha Mohr, der Bruder von Markus Mohr, und Frank Servos zugegen, beide Vorstandsmitglieder des Aachener Kreisverbandes der AfD. Weiterhin war Wolfangang Palm, Ex-Polizist und Stadtratsmitglied für die rassistische Allianz für Aachen anwesend, sowie der Vorsitzende des AfD KVs Städteregion Aachen Markus Matzerath, er ist Bundespolizist. Es wurde zweimal die deutsche Nationalhymne abgespielt, dies wurde vom Gegenprotest mit lauter Musik und Parolen übertönt. Wie auch bei anderen Veranstaltungen der AfD oder „Corona-Rebellen“ interessierte sich hier weder die Polizei noch die Teilnehmer*innen für Abstandsregeln oder die Bedeckung des Mund- und Nasenbereiches. Hier wurde, wie so oft von der Polizei, mit zweierlei Maß gemessen, im Rahmen des Gegenprotests gab es eine Festnahme wegen angeblicher Vermummung und mehrere Platzverweise wegen Kreidemalerei.
Die AfD schloss sich mit ihren Forderungen an die „Corona Rebellen“ an und versuchte sich als Hüter des Grundgesetzes und Anwalt der Wirtschaft zu inszenieren, sie demonstrierten gegen den Lockdown. Ihren Aufruf ergänzten sie mit der Forderung nach einem Einreiseverbot für alle Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft. Sie versuchen damit rechtes Gedankengut unter dem Deckmantel der besorgten Bürger*innen und dem Protest gegen die Einschränkung der Grundrechte noch gesellschaftsfähiger zu machen.
Die Mahnwache am Willy-Brandt-Platz wurde von etwa 80 Personen besucht, unter anderem hielt Andrej Hunko, der für die Linke im Europaparlament sitzt, eine Rede und gesellte sich dabei zu Leuten, die Corona öffentlich als nicht schlimmer als eine Grippewelle bewerten. Außerdem prangerten mehrere Redner*innen den vermeintlichen Impfzwang an, es waren beispielsweise Plakate zu sehen mit der Aufschrift „Gegen jeden Impfzwang. #Gates noch“. Sie beziehen sich oftmals auf den Lungenarzt Wolfgang Wodarg, der in wissenschaftlichen Kreisen als hoch umstritten gilt,. Wodargpositionierte sich in einem Telefoninterview mit Ken Jebsen zu der Corona Pandemie. Ken Jebsen ist einer der Aktivisten, die vor allem über seine social media Kanäle antisemitische Verschwörungstheorien und Fake News verbreitet, beispielsweise die Behauptung, dass Bill Gates zu über 80 % die Weltgesunheitsorganisation (WHO) finanzieren würde und eigentlich der Verursacher der ganzen Krise wäre. Das lässt den Eindruck zu, dass sich dieser Protest in die anfangs beschriebene deutschlandweite Bewegung gegen die Corona Maßnahmen einreihen lässt. Denn diese Quellenauswahl ist äußerst bedenklich, verbreitet Falschnachrichten und schürt nur noch mehr Ängste und Misstrauen.
Ingesamt verlief der gesamte Tag in Aachen eher ruhig, es ereigneten sich keine besonderen Zwischenfälle, bis auf eine Außergewöhnlichkeit und eine Strafttat. Besonders aufgefallen ist ein Mann, der zu Beginn der Kundgebung am Elisenbrunnen mit einer stichsicheren Weste durch die Protestierenden bewegte. Dabei filmte er ununterbrochen und schrie Dinge wie Corona wäre eine Lüge und Merkel sei alles Schuld, anschließend ging er schnellen Schrittes Richtung Willy-Brandt-Platz zur Kundgebung des Bündnisses „Kritische Aachener Bürger*innen zum Erhalt der Grundrechte“. Nach ein paar Stunden wurde er von den Cops am Eingang zur Adalbertstraße aufgegriffen und erhielt einen Platzverweis. Man könnte sich hier die Frage stellen, wie die Cops wohl reagiert hätten wenn sich eine demonstrierende Person mit eben so einer Weste auf einer der Kundgebungen des Linken Bündnisses aufgehalten hätte.
Desweiteren fielen drei Jugendliche auf, die alle Kundgebungen von ihren Mountainbikes beobachteten. Zwei von ihnen wurden dabei gesehen wie sie den Hitlergruß beim Abbiegen in die Warmweiherstraße zeigten. Allerdings wurden bisher keine bekannten, außerparteilich- organisierten Neonazis auf den Kundgebungen identifiziert.
Wir finden es gut und wichtig, dass sich so viele Menschen an den Kundgebungen beteiligten, die sich klar gegen Rechte Ideologien und Verschwörungen positionieren und dabei dennoch viele der Corona Maßnahmen kritisieren. Denn die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit und Solidarität mit Geflüchteten und den Opfern rechter Gewalt kann man nicht von einander trennen!
Solidarität geht nur antifaschistisch!