Am 6. Mai 2021 waren auch wir am Elisenbrunnen bei einer Kundgebung gegen das geplante Versammlungsgesetz in NRW. Mit der vorgesehen Änderung soll notwendiger Protest beispielsweise gegen Naziaufmärsche oder für Klimagerechtigkeit delegitimiert und kriminalisiert werden. Mit rund 100 Mitstreiter*innen haben wir deshalb unseren Protest gegen die Gesetzesverschärfung auf die Straße getragen.
In einem Redebeitrag haben wir ausgeführt, was das neue Gesetz für uns als Linke und Antifaschist*innen bedeuten würde:
Wir sind heute unter dem Motto zusammengekommen „Versammlungsgesetz stoppen!“, aber sind wir mal ganz ehrlich, wir haben nicht den gesellschaftlichen geschweige denn den parlamentarischen Rückhalt, um die Verabschiedung dieses Gesetzes zu verhindern. Der Staat und die Exekutivbehörden kennen nur eine Entwicklung und die heißt autoritäre Zuspitzung. Der Sicherheitsdiskurs verfolgt nur noch das Bedürfnis möglichst jedes Risiko zu erkennen und bekämpfen zu können. Die Konsequenz ist eine immer umfassendere Kontrolle und Überwachung.
Die Polizei und Ordnungsämter bekommen immer größere Ermessensspielräume und Befugnisse, während die Versammlungsfreiheit zunehmend eingeschränkt wird. Wir haben das alles schon 2019 erlebt, bei den bundesweiten Novellierungen der Polizeiaufgabengesetze. Hierbei manifestierte sich die Verschiebung vom Strafrecht in Richtung vorbeugenden Maßnahmen. Das heißt von nachträglicher Verfolgung und Bestrafung von Straftaten zu schwammigen Gesetzestexten, die Ingewahrsamnahme, Überwachung, Kontrollen und vieles mehr ermöglichen, ganz ohne gerichtliche Überprüfung oder ein Urteil. Trotz verfassungsrechtlicher Zweifel und großen gesellschaftlichen Protesten wurden die Gesetzesvorhaben mit minimalen Änderungen in allen Bundesländern verabschiedet. Es geht heute also zum einen um symbolischen Protest, um zu zeigen das wir nicht einverstanden sind mit dem Vorhaben das Versammlungsgesetz zu verschärfen. Zum anderen geht es, und das ist viel wichtiger, darum sich gemeinsam darauf vorzubereiten unter erschwerten Bedingungen Demonstrationen oder Kundgebungen abzuhalten und zivilen Ungehorsam zu betreiben. Es geht darum, zu wissen wer dir den Rücken stärkt, wer da ist um dich gegen Repressionen zu unterstützen, wer zuhört wenn du deine Perspektiven und Probleme mitteilst.
Leider ist der Versuch der politischen Teilhabe abseits von Wahlen heutzutage schon schwer genug.
Wer von euch hat schon mal versucht eine Demonstration oder so etwas anzumelden?
Wahrscheinlich eher wenige. In unseren Kreisen gehört so etwas eigentlich zum Alltagsgeschehen. Doch auch bei uns, sagen wir mal Aktivist*innen, ist die Suche nach Anmelder*innen immer einer der schwierigsten Punkte in der Vorbereitung. Sobald eine Demonstration in ihren Inhalten oder ihrem Auftreten gesetzliche Spielräume ausreizt oder diese in Frage stellt folgt darauf ein bürokratischer und juristischer Rattenschwanz. Und diese Suppe muss dann halt die Person auslöffeln, die für die Demo ihren Namen hergegeben hat. Polizei und städtische Behörden versuchen dann mit allen Mitteln das Stattfinden einer solchen Veranstaltung zu behindern und vor allem wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Dies geschieht mit absurden Auflagen. So werden z.B. die Routen und Veranstaltungsorte immer wieder nicht genehmigt oder in Randbezirke verlegt, zusätzlich wird ein immenses Polizeiaufgebot aufgefahren. Dies bewirkt nicht nur Einschüchterung der Teilnehmenden, sondern lässt auch die Veranstaltung nach außen hin als gefährlich und unerwünscht aussehen. Wer denkt nicht bei einer von Gittern und Polizeiketten abgeschirmten Menge an die Aufmärsche von militanten Neonazis?
Um eine Demo nach den eigenen Vorstellungen durchzusetzen und sich irgendwie gegen staatliche Kontrolle zu wehren gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder es wird mit der Unterstützung von Anwält*innen eines, meistens mehrere, Verfahren geführt um die Rechtmäßigkeit der Versammlung juristisch zu bestätigen. Das kostet nicht nur Zeit und Nerven, die in der Vorbereitung mit eingeplant werden müssen, sondern auch verdammt viel Kohle. (Dortmund anarchistische Demo 1. Mai dieses Jahr , Ende Gelände? , G20, jeder Gegenprotest bei einem Naziaufmarsch) Oder man verzichtet auf die Anmeldung bei den Behörden. Dann wird allerdings die Mobilisierung schwierig, da sobald etwas von dem Vorhaben an die Öffentlichkeit gelangt, die Demonstrationen brutal von der Polizei aufgelöst werden. (1. Mai Wuppertal) Wird auf öffentliche Mobilisierung verzichtet beschränken sich die Teilnehmer*innenzahlen auf die, die man eben ohne öffentliche Ankündigungen erreicht. Zusätzlich werden in beiden Fällen alle zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel gegen die Demonstrierenden eingesetzt. Ein Transparent wird zur passiven Bewaffnung und ein steif gehaltener Arm bei einer Festnahme zum Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.
Wir drehen uns seit Ende der 90er im Kreis, ob es um die Einführung der Rasterfahndung, der Videoüberwachung öffentlicher Orte, der Kennzeichenerfassung auf Autobahnen, der Vorratsdatenspeicherung, der bundes- und EU-weiten DNA Datenbanken, des Staatstrojaners oder die Verschärfung des Widerstandsparagraphen geht.
Die Begründungen für all diese Gesetzesverschärfungen liefern erst mal die zuständigen Stellen. Also die Innenministerien, die Polizei und andere Sicherheitsbehörden. Deren Argumente sind immer die gleichen: Terror, Sicherheit, Terror, mehr Gewalt gegen die Polizei, „Clan“ Kriminalität oder anders „kriminelle Ausländer“, Sicherheit…..
Die Gesetze eignen sich für Sicherheitspolitiker super, um sich zu profilieren – doch es sind nicht irgendwelche abstrakte Beschneidungen unserer Grundrechte, die Gesetzesänderungen haben sehr handfeste Konsequenzen.
Wusstet ihr, dass du neuerdings für deine Ingewahrsamnahme durch die Bullen bezahlen musst. Unter anderem bezahlst du pro Stunde 80 Euro. Es gibt tausend Gründe warum die Bullen dich in ihrer Wache einsperren, vielleicht bist du bei einer Kontrolle zu unbequem und stellst nervige Fragen. Es kann allerdings auch sein, dass du eine dunkle Hautfarbe hast, dass du keinen Wohnsitz in Deutschland oder keine deutsche Staatsbürger*innenschaft hast. Das Wichtigste hierbei: Die Bullen brauchen keine richterliche Bestätigung um dich bis zu 24h in Gewahrsam zu nehmen. Dies ist nämlich schon möglich „wenn begründete Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass…“ Um es mit den Worten der zuständigen Beamten zu sagen: „Warum? Weil ich das sage!“. Als ob eine Ingewahrsamnahme, also bis zu 24h Stunden Einzelhaft, nicht schon schlimm genug wären, kommt seit letztem Jahr eine immense Geldstrafe dazu, ohne dass die Betroffenen je verurteilt wurden. Alles nach Ermessen der Polizei.
Diese Logik, dass Bullen ihr Handeln, schon vor dem stattfinden einer Straftat, selber begründen können zieht sich durch durch alle beschriebenen Gesetzesverschärfungen. Die Polizei wird so zu einem immer schwerer zu kontrollierenden Apparat. Das neue Polizeigesetz diente schon Tage nach dem Inkrafttreten als neue Begründung für willkürliche Grundrechtseinschränkung und Gewalttaten durch die Polizei. Und jetzt auch noch eine Verschärfung des Versammlungsrechts!
Zu guter Letzt kommt noch ein Teil aus unserem Redebeitrag gegen das Polizeiaufgabengesetz, denn es passt leider immer noch genauso wie damals:
Alles in allem zeichnet sich eine echt düstere Zukunft ab. Und es liegt an uns zu begreifen wie gering unser Einfluss auf diese Zukunft zu seien scheint und nach Mitteln und Wegen zu suchen, die uns dazu ermächtigen diese mitzubestimmen. Sollten wir diese Mittel nicht viel eher danach auswählen ob sie zur Selbstermächtigung beitragen und Einfluss auf unsere gesellschaftliche Realität haben und nicht danach ob sie in den legalen Rahmen passen den uns der Staat vorgibt? Denn, wie sich hier zeigt, kann sich dieser Rahmen sehr schnell ändern je nachdem wer gerade am Drücker ist. Diese Gesetze sind keine Regeln, die diese Gesellschaft sich selber gibt, sondern sie werden uns von den Mächtigen auferlegt. Nicht etwa unser aller Sicherheit wegen, sondern zur Sicherung ihrer Machtposition und zur Aufrechterhaltung des Systems, dass diese hervorbringt.. Wir sollten wieder lernen uns abseits der Gesetze zu bewegen und eigene Strukturen aufzubauen, nach unseren eigenen Vorstellungen und Prinzipien. Unter der Prämisse die Unterdrückung des Menschen durch den Menschen zu beenden und nicht darunter wie anschlussfähig sie in den Massen(medien) erscheinen.
Lasst uns dem erstarkenden (autoritären) Staat nicht mit Ohnmacht begegnen, sondern uns ihm gemeinsam entgegenstellen. Schaffen wir viele unkontrollierte Demos und Räume und viele Indymedias. Nehmen wir dem Staat sein Gewaltmonopol und den Medien die Deutungshoheit! Um diese selbstbestimmte Praxis zu ermöglichen ist es mitunter das Wichtigste, dass wir uns darauf verlassen können nicht alleine dazustehen, wenn wir uns den Repressionen des Staates nicht mehr entziehen können!
Solidarität mit allen im Widerstand.
Freiheit für alle Gefangenen.