[Aachen] Demo gegen Nazistrukturen

[Aachen] Demo gegen Nazistrukturen

Um die 650 Antifaschist_innen demonstrierten am Freitagabend durch die Aachener Innenstadt. Die Demonstration antwortete auf zunehmende Neonazi-Gewalt in Aachen, auf etliche Angriffe auf Menschen vor dem Autonomen Zentrum in den letzten Wochen, auf das Parteibüro der Linken, auf Abiturfeiern, auf neonazistischen Übergriffe während des ersten Deutschlandspiels.
Nach Grußworten von Hein Kolberg, ehemaliger KPDler und Zeitzeuge, der berichtete, dass auch Widerstand gegen den Nazismus Tradition hat, hören wir eine Rede des Antifa AK Köln, in der die Angriffe in Aachen in einen breiteren gesellschaftlichen Kontext gestellt wurden. Wer nicht gegen die gesellschaftlichen Bedingungen des Nazismus, gegen Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus agiere, werde gegen Neonazismus nicht ankommen. Dem Aufruf nach offensiver antifaschistischer Praxis folgte der Beginn der Demo.

Vor dem Hotel Hesse, das die NPD angibt, kaufen zu wollen, sprach ein Vertreter des Autonomen Zentrums Aachen. „Ob der NPD Kreisverband Aachen finanziell, personell und intellektuell in der Lage” sei, ein solches Projekt zu stemmen, dürfe “getrost bezweifelt werden”. Trotz berechtigter Zweifel wies der AZ Mensch aber auch auf die Gefahr hin, die ein “national befreiter Biergarten, nur einen Flaschenwurf vom Autonomen Zentrum entfernt, für AZ Besucher_innen und alle anderen Menschen” bedeute.

“Es wird Zeit die Nazis damit zu konfrontieren, dass Aachen ihren Terror nicht hinnimmt”. Und damit setze sich die Demonstration auch schon wieder fort. Bevor aber die Innenstadt erreicht werden konnte, stoppte die Einsatzhundertschaft aus Bonn die gesamte Demo für ca. 45 Minuten. Das Fronttranspi könne doch vielleicht als Vermummung ausgelegt werden. Die Spitze der Demo sah das anders. Nach einem Versuch, das Demonstrationsrecht gegen dessen notorische Gegner_innen durchzusetzen, setzten diese sich mit Hilfe von Pfeffersray und Knüppeln für die ersten 10 Reihen kurzzeitig durch.
Es schien ihnen sehr daran gelegen zu sein, dass Antifaschist_innen in einer Situation permanenter Attacken der extremen Rechten ihre Gesichter öffentlich, das heißt auch öffentlich für Neonazis, zeigen. Ganz, ganz freundlich ausgelegt, könnten wir ihnen initiative Arbeitsplatzsicherung unterstellen.

Nach einer Dreiviertelstunde ging’s weiter. Am Elisenbrunnen, in der Innenstadt, hielten zwei Leute vom AK Antifa Aachen eine Rede, in der sowohl Extremismustheorien zurückgewiesen wurden und politische hegemoniale Gewalt in “staatlichen Kriege, Polizeigewalt und den leiseren Formen, etwa dem Einsperren von Menschen in Knäste oder der Verweigerung von sozialen Leistungen” verortet wurde. “Der Staat kann sagen, dass er Gewalt nur gegen Deliquenz anwendet, damit Frieden herrscht und er meint damit die Befriedung, nicht die Aufhebung herrschender gewalttätiger Verhältnisse”, so die Rednerinnen. Da neofaschistische Formierung nicht erst bei Straßennazis anfange, sondern begünstigt werde, durch gesellschaftlichen Rassismus und Nationalismus, durch die Mystifizierung von Männlichkeit und den Ruf nach Sicherheit, durch die Mechanismen der Ausgrenzung, werde man nicht an die Staatlichkeit appellieren. Denn “neofaschistische Formierung wird nicht bekämpft durch eine Einschränkung von Freiheitsrechten”.

Antifaschismus heiße in dem Sinne keine bloße Reaktion auf faschistische Formierung, sondern die “Befreiung des alltäglichen Lebens, das Begehren eines Lebens, das die Bedingungen für Faschismus abschafft”. Die beiden dankten schließlich den vielen Menschen, die zu der Demonstration gekommen sind und betonten ihre Freude darüber, dass Menschen aus so unterschiedlichen Spektren, mit so unterschiedlichen politischen Positionen und Schwerpunkten hier solidarisch agieren. Denn Differenz, die Verweigerung gegen Vereinheitlichung sei der beste Garant gegen autoritäre Formierung, wo auch immer sie sich manifestiere.

Es folgte eine Zwischenkundgebung vor dem Büro der Partei “Die Linke”, vor dem der letzte Redebeitrag auf die Intensität der aktuellen Übergriffe hinwies und den Wert der Vernetzung antifaschistischen Widerstands hervorhob.

Kurz vor Ende der Demo wurde Licht gemacht, nach einem bißchen Bengalo stoppten die Cops die Demo fünf Minuten vor dem Erreichen des Abschlusspunktes.

Lange nach Abschluss der Demo wurden einige Autos von Antifaschist_innen mit niederländischen Kennzeichen auf dem Heimweg von der Aachener Polizei angehalten, durchsucht und die Fahrer_innen mit zum Polizeipräsidium zum “Drogentest” gezwungen. Die Cops wollte wohl durch diese Schikane noch mal verdeutlichen, wo sie stehen. Wussten wir aber auch schon vorher.

Zusammengefasst: Eine laute Demonstration, die deutlich gemacht haben sollte, dass Antifaschismus nicht alleine kommt, dass Angriffe von rechts nicht unbeantwortet bleiben. Das Verhalten der Cops – wie gewohnt – eskalierend.
Unser Dank gilt besonders denen, die angereist sind nach Aachen. Eure Solidarität hat uns bestärkt und gestärkt! Ganz herzlich und explizit auch der Dank an die niederländischen und belgischen Genoss_innen! Antifaschismus kennt keine nationalen Grenzen!